Eine kulturschaffende Wirtschaft
Die Ökologie ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Das Erscheinen des Buches "The silent spring" von Rachel Carson Anfang der sechziger Jahre markierte den Beginn eines allgemeinen Bewusstseins für unsere Verantwortung für die Erde und ihre weitere Entwicklung. Der Begriff der Nachhaltigkeit entstand. Sie wurde innerhalb weniger Jahrzehnte zur Sorge eines wachsenden Teiles der Menschheit. Heute hat dem die Klimaerwärmung eine weitere dramatische und globale Dimension hinzugefügt. Die Medien versäumen nicht, diese „Trumpfkarte“ regelmässig auszuspielen.
Was ist die fundamentale Geste dieser Ökologie? Zuerst einmal eine Bewegung des Herzens hin zu etwas Grösserem als man selbst, etwas, das man liebt und besser kennen möchte, für das man sich verantwortlich fühlt. Eine ganz natürliche Geste innerhalb der Familie, im erweiterten Rahmen auch z.B. für die Mitglieder des bevorzugten Sportvereins oder des Orchesters in dem man spielt. Aber auf die ganze Welt, die Erde und die Menschheit erweitert, ist sie neu. Ein Herz öffnet sich weit dem Kommenden, es interessiert, es engagiert sich. Aber es weiss, wenn es sein muss auch zu urteilen und zu entscheiden. Und der Massstab für die Entscheidung ist hier der Blick auf das Ganze. Frei entscheiden und eine Verantwortung für alle tragen, das charakterisiert die ökologische Bewegung.
Diesem steht die Herangehensweise der Wirtschaft in ihrer modernen Form als Marktwirtschaft, wie sie gedacht, gewollt und überall auf der Welt von Spezialisten praktiziert wird, entgegen. Ihre Wurzeln sind weit älter als das 20. Jahrhundert und sie konnten ihre Wirkung mit katastrophaler Hilfe des darwinistischen Bildes der menschlichen Entwicklung entfalten: dem 'Daseinskampf'. Zuerst an sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse zu denken ist die erste Lektion dieser Wirtschaft. Die folgende beschreibt, wie der Markt mittels Anpassung der Preise das Gleichgewicht wieder herstellt und so die Folgen dieser individuellen Haltung(en) auf alle (die Gesamtheit) abwälzt. Der Mensch wird auf seinen instinktivsten Teil reduziert, sein Ego. Man sollte also eher von Egonomie als von Ökonomie sprechen.
Die Schlagworte dieser Sichtweise sind Marktfreiheit und Konkurrenz. Mittels der Welthandelsorganisation erreichen sie, dass sich überall Produzenten ohne Schutz gegeneinander kämpfend behaupten müssen. So entsteht dann der tiefste Preis. Aber zu welchem Preis!? Wie viele natürliche, soziale und kulturelle Schätze wurden schon auf dem Altar dieser Wirtschaftstheorie geopfert. Ein Zwang der Preise nach unten hat immer eine Erosion der Werte zur Folge, zuerst in den verletzlicheren Ländern und dann auch bei uns.
Aus diesen Gründen ist es sehr bedauernswert, die 'Konsumentenverbände' auf dem Kreuzzug gegen die Hochpreisinsel Schweiz zu sehen. Sehen sie nicht, dass höhere Preise, oft auch eine Konsequenz der Wertschätzung zeigen kann, zum Beispiel für das Leben, oder für die anderen? Ist das nicht das eigentliche Fundament einer menschlichen Kultur, einer Zivilisation, die diesen Namen verdient?
Es ist höchste Zeit, dass sich der Elan, der die nachhaltige Entwicklung hervorgebracht hat, auch der Wirtschaft bemächtigt.
Was bedeutet das? Um eine Idee zu bekommen, reicht es, das eigene Verhalten im täglichen Wirtschaftsleben zu beobachten. Man kann sich zum Beispiel fragen: Habe ich das, was ich gekauft habe, genügend bezahlt? Diese Frage orientiert die Aufmerksamkeit in einen ungewohnten Bereich unserer Seele, einen Bereich der Freiheit und Verantwortung, der Menschlichkeit. Habe ich teuer genug bezahlt? Das kitzelt. Es bin nicht nur ich, der/die zählt. Die anderen sind auch da und ihre Zukunft steht auf dem Spiel. Der Kern der Wirtschaft besteht eigentlich darin, den richtigen Preis zu zahlen, der dem Produzenten erlaubt, ein vergleichbares Produkt erneut herzustellen. Und von mir hängt es ab, hier und jetzt. Ich bin der Kern der Frage, sowohl das Problem und die Lösung.
Den Blick darauf richten, was für alle Beteiligten gut sein kann, und sich frei entscheiden, seine Verantwortung gegenüber allen wahrzunehmen: Das ist die Geste, die die Wirtschaft auszeichnet, wenn es um nachhaltige Entwicklung geht. Wir sprechen dann von assoziativer Wirtschaft, weil sie zuerst für andere und für das Leben sorgt, weil sie sich mit anderen assoziiert, um die Situation als Ganzes wahrzunehmen. Sie umfasst sowohl die Gesichtspunkte einer solidarischen Wirtschaft, als auch die der Kreislaufwirtschaft. Ihrem Wesen nach ist sie sozial, auch wenn sie sich nicht aus den Wirkungen der Märkte herausziehen kann. Diese assoziative Wirtschaft wird in dem Masse menschlich sein, wie wir sie uns zu eigen machen können.